Technik | Adventure Bike Reifen - Alleskönner

Technik | Adventure Bike Reifen - Alleskönner

Adventure-Bike-Reifen müssen den anspruchsvollen Spagat zwischen Straßen- und Offroadeinsatz leisten. Gemeinsam mit den Reifenprofis von Metzeler, die seit fast 15 Jahren eng mit Touratech zusammenarbeiten, werfen wir einen Blick auf Typen und Technologien.

Der Reifen stellt die Verbindung zwischen Motorrad und Untergrund her. Das klingt zunächst mal harmlos, schaut man sich die Sache näher an, ist das jedoch eine ganz schön kniffelige Aufgabe. Der Reifen muss Antriebskräfte übertragen, Bremskräfte aufnehmen, mit Haftung bis in die Schräglage überzeugen, und bei alledem soll er möglichst komfortabel abrollen und auch noch lange halten. Während reine Straßen- oder waschechte Geländereifen dieses Kunststück in einem jeweils eng umrissenen Einsatzgebiet zustande bringen müssen, warten auf Reiseenduroreifen zusätzliche Herausforderungen. Sie müssen sowohl onroad als auch offroad eine gute Figur abgeben – je nach Reifentyp mit unterschiedlichem Schwerpunkt.

Doch was ist eigentlich ein Adventure-Bike-Reifen? Da ist zunächst mal der durch die Fahrzeughersteller festgelegte Reifendurchmesser: Bei hubraumstarken, eher straßenorientierten Adventure Bikes ist die Kombination 19 Zoll vorne und 17 Zoll hinten der Standard, leichtere und eher für den Offroadeinsatz vorgesehen Modelle haben ein 21-Zoll-Vorderrad, hinten kommt ein 18-, seltener ein 17-Zöller zum Einsatz. Dazu kommt natürlich ein Mindestmaß an Offroadeignung, obwohl es auch reine Straßenprofile speziell für Reiseenduros gibt. Das macht auch Sinn, denn so mancher Reisender ist einfach nur onroad unterwegs und liebt den hohen Komfort der Straßenbereifung.

DAS REIFENPROFIL

Wir wollen uns an dieser Stelle jedoch denjenigen Pneus widmen, mit denen man auch jenseits des Asphalts sicher und mit Fahrspaß unterwegs ist. Was zeichnet diese Reifen aus, die sich auf Trails ebenso wohl fühlen sollen wie auf der Landstraße oder gar bei Topspeed auf der Autobahn? Zunächst einmal muss klar sein, dass trotz enormer Fortschritte, was die Breite des Einsatzspektrums angeht, ein Reifen nicht in allen Disziplinen Spitze sein kann. Ein Kompromiss ist also gefragt, den die Reifenhersteller gerne mit Prozentangaben beziffern. Die Angabe 70:30 bedeutet demnach, dass der Fabrikant seinen Pneu zu 70 Prozent auf der Straße und zu 30 Prozent im Gelände sieht. Doch wo liegen die tieferen Gründe für diese Eignungsempfehlung?

Hiermit wären wir bei der Profilgestaltung. Grundsätzlich wird zwischen Positivprofil – das sind die Profilblöcke – und Negativprofil – also den Zwischenräumen – unterschieden. Als Faustregel gilt: Je größer der Anteil des Negativprofils, desto besser die Eignung für den Offroadeinsatz. Die Erklärung ist einfach. Die Flächenpressung der relativ kleinen Profilblöcke ist hoch, so dass sie in den Untergrund eindringen bzw. sich mit ihm verzahnen können. In den großen Zwischenräumen kann sich Bodenmaterial schlecht halten, da es von der Fliehkraft herausgeschleudert wird, so dass das Profil nicht zuschmiert. Man spricht von der Fähigkeit zur Selbstreinigung des Reifens. Auf der anderen Seite ist klar, dass ein Reifen mit einem hohen Anteil an Negativprofil auf der Straße Nachteile mit sich bringt. Die kleine Kontaktfläche kann nur geringere Beschleunigungs-,Brems- und Seitenführungskräfte übertragen als eine – im Idealfall vollflächige Lauffläche wie bei einem Slick – und unterliegt zudem einer erhöhten Abnutzung. Dementsprechend variieren die Hersteller die Anteile von Positiv- und Negativprofil entsprechend dem vorgesehenen Einsatzschwerpunkt und versuchen ein Profilmuster zu entwerfen, das in Bezug auf Traktion, Haftung, Seitenführung, Wasserverdrängung, Selbstreinigung und Laufruhe für den jeweiligen Zweck optimiert ist.

Auf losem Untergrund sind Adventure Bike Reifen stark gefordert: Das Profil muss sich mit dem Untergrund verzahnen und sich selbst reinigen.

DIE MISCHUNG MACHTS

Ein funktionales Profilmuster an sich ist jedoch kein Garant für eine gute Performance. Eine zentrale Bedeutung für Haftung und Haltbarkeit des Reifens kommt der Gummimischung zu. Die Basis jedes Gummis ist der Kautschuk – entweder Naturkautschuk oder ein synthetisch hergestelltes Produkt. Die Reifenhersteller setzen dem Rohmaterial nach einer aufwendigen Aufbereitung allerlei Stoffe zu, um dem Gummi die gewünschten Eigenschaften wie Härte, Zugfestigkeit, Abrieb- und Benzinfestigkeit oder Elastizität zu verleihen. Seine schwarze Farbe hat das Gummi übrigens vom beigemischten Ruß, der als wichtiger Füllstoff für die Abriebfestigkeit verantwortlich ist und bis zu 30 Prozent des Reifengewichts ausmachen kann. Ein weiterer wichtiger Zusatzstoff ist Silica, auch als Kieselsäure bekannt. Silica bewirkt, dass der Verbund aus Kautschuk und Ruß früher innerlich zu »arbeiten« beginnt, also die Energie, die durch das Abrollen zugeführt wird, in Wärme umwandelt. Dies ist besonders für den Straßeneinsatz wichtig, denn eine geschmeidige Gummimischung kann sich besser an die Feinstruktur des Asphalts anpassen – was nicht zuletzt bei kalter oder nasser Fahrbahn das entscheidende Plus an Grip bringt. Und das Gute dabei: Durch die verringerte innere Reibung des Gummis nimmt auch der Rollwiderstand ab. Ein moderner Motorradreifen, ob nun für die Straße oder den gemischten Einsatz, besteht nicht aus der einen Gummimischung. Die Hersteller setzen in unterschiedlichen Zonen verschiedene Mischungen ein, um die jeweils geforderten Eigenschaften zu optimieren. Während es in der Reifenmitte verstärkt um Abriebfestigkeit geht, kommen auf den Flanken weichere Mischungen zum Einsatz, um die Haftung in Schräglage zu optimieren.

ADVENTURE-BIKE-REIFEN: ALLROUNDER UND SPEZIALISTEN IN EINEM

Wie ein moderner Reiseenduroreifen den Spagat zwischen kernigem Offroadeinsatz und sportlichem Tourenbetrieb auf der Straße meistert, schauen wir uns am Beispiel des Metzeler Karoo 4 im Detail (s. Grafik) an. 

Die schaufelförmigen zentralen Stollen sorgen auf weichen Böden für eine starke Verzahnung mit dem Untergrund. Weite Profilzwischenräume erlauben eine effektive Selbstreinigung. Diese wird unterstützt durch den wellenförmigen Verlauf der Seitenrillen, also dem Zwischenraum zwischen Zentral- und Flankenstollen. Die Flankenstollen sind versetzt zu den Zentralstollen angeordnet, so dass sie einen Auffangbereich bilden, der für die Seitenführung zuständig ist. Auch zwischen den Seitenstollen befinden sich großzügige Reinigungsbereiche, die ein Zusetzen des Profils verhindern. Variable Winkel an den Seitenwänden der Stollen gewährleisten bestmöglichen Kontakt zwischen Reifen und Untergrund. Die besonders steife Karkasse des Karoo 4 sorgt nicht nur bei hoher Zuladung für die nötige Stabilität, sondern erlaubt auch ein präzises Handling selbst bei sportlicher Fahrweise onroad. Als Cap&Base Mischung bezeichnet Metzeler eine Konstruktionsweise, bei der zwei Mischungen übereinander verbaut werden. Beim Karoo 4 ist das eine widerstandsfähige, harte Gummimischung auf einer weicheren Basismischung. Hierdurch erhalten die Stollen zusätzliche Anpassungsfähigkeit an den Untergrund, ohne allzu schnell zu verschleißen. Beim Hinterreifen sorgt zudem in der Mitte der Lauffläche ein besonders hoher Rußanteil für hohe Abrieb- und Schnittfestigkeit. Der Vorderreifen hingegen besitzt eine Gummimischung mit 20 Prozent Silica-Anteil, die eine hervorragende Nasshaftung auf Asphalt garantiert.

TYPBERATUNG: WELCHER REIFEN FÜR WEN?

Die mittlerweile riesige Auswahl an Adventure-Bike-Reifen ist einerseits sehr erfreulich, andererseits aber auch verwirrend. Wer einen neuen Pneu für seine Reiseenduro sucht, sollte sich vor dem Kauf also ein paar Gedanken machen.

Die rechtliche Seite

Bei EU-typgenehmigten Motorrädern gibt es keine Reifenfabrikatsbindung. Das bedeutet, dass bei diesen Bikes alle Reifen gefahren werden dürfen, die den Dimensionen in den Fahrzeugpapieren entsprechen. Ganz auf der sicheren Seite ist man, wenn eine Serviceinformation des Reifenherstellers vorliegt. Damit bestätigt dieser, dass er den Reifen auf der betreffenden Maschine getestet hat und die Nutzung empfiehlt. Komplizierter ist die Lage bei Motorrädern, die statt der EU-Typgenehmigung lediglich über eine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) verfügen. Das sind in der Regel ältere Fahrzeuge. Soll hier ein Reifen, der nicht in den Papieren steht, montiert werden, ist eine Eintragung grundsätzlich erforderlich. Grundlage für die Legalisierung ist eine Herstellerbescheinigung, in der der Fabrikant die Eignung für das betreffende Bike bestätigt. Ob EU-Typgenehmigung oder ABE: Reifen mit Dimensionen, die von den Werten in den Fahrzeugpapieren abweichen, müssen grundsätzlich eingetragen werden. Da es trotz Vorliegens einer Herstellerbescheinigung keinen Rechtsanspruch auf eine Eintragung gibt, sollte man vor dem Reifenkauf ein klärendes Gespräch mit den Herren im grauen Kittel führen. Hat der Reifen einen Geschwindigkeitsindex unterhalb des Werts in den Fahrzeugpapieren, darf er – sofern sonst alle Voraussetzungen erfüllt sind – trotzdem gefahren werden, sofern er über eine M+S-Kennzeichnung auf der Reifenflanke verfügt. Zusätzlich muss im Sichtbereich des Fahrers ein Aufkleber mit der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit des Pneus angebracht werden, die auch nicht überschritten werden darf. Dies gilt wiederum nur für Motorräder mit EU-Typgenehmigung. Bei allen anderen Bikes bleibt nur der Gang zur Prüfstelle.

Detailinfos finden sich auf der Seite des Bundesverkehrsministeriums unter dem Shortlink http://bit.ly/reifeneintragung

Das Einsatzspektrum

Sind die rechtlichen Aspekte geklärt, steht die Frage nach dem Einsatzschwerpunkt im Fokus. Ihrem Konzept entsprechend sollen Adventure-Bike-Reifen auf Asphalt wie auf unbefestigten Oberflächen eine gute Figur machen. Doch die Schwerpunkte sind deutlich unterschiedlich gesetzt und in der Performance deutlich spürbar. Beispiele siehe unten.

Beispiele für die Reifenauswahl

Ist man hauptsächlich onroad unterwegs, empfiehlt sich ein Pneu mit möglichst geringem Negativprofilanteil. Die Haftung auf dem Asphalt ist dank der großen Auflagefläche optimal, Abrollkomfort und Haltbarkeit sind ähnlich hoch wie bei einem Straßenreifen.

 Reifenbeispiel: Metzeler Tourance Next2, 85 % Straße, 15 % Offroad

Für gelegentliche Ausflüge auf geschotterte Wege sollte es ein wenig mehr Negativprofil sein, um eine bessere Verzahnung mit dem Untergrund zu erreichen. Allerdings überzeugen moderne Reiseenduroreifen auch mit relativ hohem Positivanteil auch auf Schotterstrecken, solange es nicht nass oder tiefgründig wird.

Reifenbeispiel: Metzeler Karoo Street, 70 % Straße, 30 % Offroad

Soll es hingegen auf Strecken mit losem Untergrund gehen, also auf Sand, tiefen Kies, feuchte Erde oder gar Schlamm, ist eindeutig der Grobstoller gefragt. Nur ein Reifen mit einem hohen Anteil an Negativprofil kann auf losem Untergrund den notwendigen Grip aufbauen und bietet gleichzeitig den nötigen Selbstreinigungseffekt.

Reifenbeispiel: Metzeler Karoo 4, 50 % Straße, 50 % Offroad



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